Marosch M. Schröder

Christina Wendenburg

 

Meditative Metamorphosen

Text zur Ausstellung "meeting point" mit Gabriele Heidecker in der Galerie Vayhinger, Radolfzell

Immer wieder ist da dieses Gelb. Den Künstler verbindet eine Haßliebe mit dieser Farbe in ihrer ganzen Skala von sonnig bis giftig, positiv aufgeladen bis aggressiv explodierend. Deshalb läßt er das Gelb in seiner Malerei auf extreme Gegensätze prallen: eine Camouflage aus gedämpften Hauttönen oder tiefstes Schwarz. Doch das Dazwischen, der Schwebezustand, von Erscheinen bis Verschwinden, Transparenz bis Durchmischung, ist Erinnerung und Gegenwart zugleich. Denn Marosch Schröders Malerei besteht aus Schichtungen und Sedimentationen von Zuständen, die wie in einem Prisma für den Moment des Malens und Sehens zu einer atmosphärischen Dichte gesteigert werden. Als Zustandsbeschreibung gibt sein Werk Aufschluss über einen Mikrokosmos von Strukturen und gerade in den aktuellen Bildern, die er mit runden Schwämmen aufträgt, entsteht ein rhythmischer Wirbel von Kreisen.

 

Dieser beinhaltet die ganze veränderliche Optik von der Makro- zur Mikroperspektive. Dem Betrachter bietet sich sowohl die gesamte kosmische und illusionistischen Bildtiefe als auch die Möglichkeit des abstrakten Einschließens in der Zweidimensionalität. Doch gerade aus der Position der Grenzenlosigkeit werden die Bilder zu visionären Panoramen, die sowohl zum inneren Sehen, kontemplativen Betrachten, wie auch zum aktiven Beobachten und Abschreiten animieren.

 

Erstmals widmet sich Marosch Schröder auch extrem großen Breitwand-Formaten, um seine Visionen als Panoramen zu komponieren. Dabei setzt er auf eine energische Umsetzung von Bewegung, die sowohl innere wie auch äußere Zustände charakterisiert. So sind die Bilder vor allem der Ausdruck seiner Sehnsucht nach Ferne wie auch universaler Gegenwärtigkeit. Doch auch im aktuellen Werk finden sich Zitate vorangegangener Zyklen, wie etwa die Präsenz der Kreisform und die Überlagerung von Texturen und Gitterstrukturen im Hintergrund. Der Künstler vertraut auf die Verwandlungskraft und läßt seine Bilder behutsam wachsen, bedeckt, legt wieder frei und läßt Zeit und Erfahrung als Bildsediment in Farb- und Strukturablagerungen durchscheinen. Denn sämtliche Zwischenergebnisse sind Teil des Ganzen - doch das Ganze bleibt nie unvollendet.


Hell-Dunkel als Bildkosmos

Die Skala von Weiß, über Gelb, Orange, gemäßigten Hauttönen, über Rot zu Schwarz verwendet Marosch Schröder als Synonym für Bewegung und Energie.

In ihrem Nebeneinander und ihrer Staffelung entsteht auch der weite Raum der Bilder. Das Oben und Unten als Zusammenspiel von Himmel und Erde, Gutem und Bösen formiert sich zu einem hochenergetischen Farbfeld. Die Entfesselung und Bändigung der Elemente, die der Künstler betreibt, indem er Materie in leuchtende Farbe übersetzt, ist auch ein Spiel mit der Skala atmosphärisch verdichteter Stimmungen und Emotionen. Zwischen hellem Leuchten und alles Licht verschlingendem Schwarz findet der Künstler Zentrum und Weite (nach der Farbenlehre Kandinskys) sowie Nähe und Distanz (nach der Farbenlehre Goethes). So bündelt er Energie und Licht, bevor sie in alle Richtungen auseinander driften, hält kurz Aufwirbelndes fest und bedeckt, was gerade auffliegt oder schon abgesunken ist. So hält er einen vorläufigen Aggregatzustand fest: irgendwo zwischen vereisten und gasförmigen Massen, dem hellsten und dunkelsten Punkt.

Interessant ist hier das Ausloten, Bedecken, und Kaschieren mit einem hautfarbenen Ton, für den er tatsächlich Schminke benutzt. Dieses Material gilt dem gelernten Maskenbildner in seiner Malerei als Materie des Übergangs, des Ausgleichs zwischen Extremen wie Hell und Dunkel.

»Mein Schwarz ist wie Urschlamm, Druckerschwärze; Abfall aus Druckereien und bildet den Gegenpol zu meinem haßgeliebten Gelb!« Doch das Schwarz in seiner Malerei nimmt den Bildern die absolute Schwerelosigkeit, beraubt sie der oberflächlichen Leichtigkeit und bewahrt sie vor dem reinen, blendenden Leuchten. Erst die dunkle Seite erdet sie, vervollständigt den Klang. Sie gibt ihnen eine endliche Zeitstruktur und läßt uns glauben, daß dieses Bilduniversum nicht so schier unendlich ist, wie wir glauben, es wahrzunehmen.


Tagewerk und Epoche-Tagebuch

Was ist wichtig? Was erfaßt der Blick zuerst?
Die Gleichzeitigkeit der Gegenwart, die Vielseitigkeit eines Moments, die Subjektivität von Bildauswahl zerfällt für Marosch Schröder in viele Fragmente. Sie sind auch als Sequenzen der Wirklichkeit zu fassen. Dieses serielle Tagewerk hat er in den Übermalungen der Fotos von Reportagen im Magazin »Der Spiegel« 1993 begonnen. Unter dem Titel »Zwischen-Report« bearbeitete er in Schwarz-Weiss-Technik die vorhandene Reportage-Fotografie. Somit provoziert er eine Auseinandersetzung von subjektiv malerischem Kommentar mit den Schlagzeilen des Weltgeschehens. Diese Konfrontation mit den gedruckten Bilderfluten und ihrer übermächtigen medialen Präsenz ist eine sehr persönliche Fragmentierung des Alltags mit künstlerischen Mitteln. Hier gerät Malerei zur betont subjektiven Vision der alltäglichen Wahrheitsfindung. Das fotografische Abbild der Wirklichkeit wird zum Bild, der Alltag wird Kunst.

Diesen Kontext des »Tagewerks«, der ständigen Beschäftigung mit kontinuierlichen Sequenzen, Details eines Ganzen, Ausschnitten der subjektiven Wirklichkeit hat Marosch Schröder sich auch in seinen Bildtafeln »Elements« von 1996 zu Eigen gemacht. Die Sets in Hochformaten ergeben ein Gewebe, können filmisch abgelesen werden und sind doch keine Permutation. Die Komposition von Details ist eine kompakte Sammlung von Mikrokosmen, von Gleichem und Andersartigem - und folgt einer geheimen Ordnung. Der Künstler richtet Spots auf verschiedenste Texturen und Strukturen, die als Grundmuster wie auch als Alphabet seines ganz persönlichen Bildvokabulars gelten können. Diese Details finden sich in unzähligen Variationen in seinem Werk wieder. Es sind Grundstrukturen eines Bildkosmos, der keine Anfangs-, End- oder Fixpunkte hat, sondern sich in ständigem Wirbel, unablässiger Implosion und >Zellteilung< befindet.

Diese künstlerischen Stufen auf dem Weg der Bildfindung und Suche nach der eigenen Bildsprache werden bei Marosch Schröder vom Prozess des spröden bis harmonischen Farbklangs und Formenkanons bestimmt. Diese Skala beinhaltet jede seiner Kompositionen. Auf diesem Weg schweift Marosch Schröder gelegentlich ab - während mehr als drei Jahrzehnten künstlerischen Schaffens als Künstler und kreativen Phasen als Maskenbilder.

 

»Wann ist es dem Maler gelungen, seine intensive Wahrnehmung von Wirklichkeit in die Begrenztheit des Bildes umzusetzen, ohne daß dieses Bild auf sich selbst reduziert ist?«, fragt der Essayist Eckart Britsch. Marosch Schröder beantwortet diese Frage, indem er in Bildmontagen arbeitet. Hier schöpft er aus dem Fundus der Variationen über die Urelemente seiner Malerei. Diese gehören allerdings in ihren Einzelteilen zum Bestand der grenzenlosen Möglichkeiten und sind zugleich prozeßhafte Stufen auf dem Weg zu einem neuen Bildthema.


Die Vision von Schwarz

Alles entsteht aus Schwarz und alles verschwindet in ihm, ein »Fluß ohne Wiederkehr« gebiert Farbe, atmet Licht und erstickt es zugleich. Das Ideal des Schwarzen ist gleichzeitig die Geburt der Farbe, denn von ihm ausgehend kann der Wert der Farbe neu erfunden werden. Ein Kompositionsprinzip von Yin und Yang, von Geburt und Tod, von der Endlichkeit schöpferischer Freiheit und ihrer Endlosigkeit zugleich. In disem Sinne bedeutet Schwarz dem Künstler nicht Leere, sondern Reduktion auf das Wesentliche, ist nicht Ausdruck des »Horror vacui«, sondern bewahrt vor der Entleerung. In Marosch Schröders Malerei gewinnt die Konfrontation mit der Farbe Schwarz eine Präsenz, die es erlaubt die Erfahrung auf und in der Oberfläche zu beschreiben und sichtbar zu machen. Denn in dem Moment, wo sich ein nachtschwarzes Firmament über einem Horizont wölbt unter dem eine Sedimentation von Farbstrukturen liegt, schwingt die fast romantische Ahnung von Landschaft mit.

 


Die Gleichzeitigkeit von Zeit oder

Grosses Gelb über sieben Variationen.

Die Reflektionen der Wirklichkeit gipfeln bei Marosch Schröder in Zeitschleifen und Simulationen zwischen Vergangenem und Zukünftigem. Was sich in seiner Malerei an Überlagerungen findet, ist eine »Zeit-Schleife« (Titel einer Werkschau von Heidecker/Schröder 1988) ohne Anfangs- und Endpunkt. Oft auch ein Zoom in den Makrokosmos der malerischen Oberfläche, die Im- und Explosion von Materie - doch nie, um den Bildfindungsprozeß zu verkehren, sondern im Gegenteil, ihn immer wieder neu zu beleben. Malerei als Fundus der eigenen Erinnerung, als Gedächtnis der Urbilder des Unterbewußten, als ständiger Traum von der Wahrheit der Bilder. Diese Malerei bewahrt sich den Schwebezustand zwischen den Dingen, Räumen, Formaten, Stilen und Zeiten.

 

 

 

Copyright: Christina Wendenburg, Berlin

Galerie Vayhinger http://www.galerievayhinger.de/