Marosch M. Schröder

Michael Ostheimer

 

Globale Embleme (Global Emblems)

zu den Pictopoems  2007

 

Zeichnungen aus feinen Umrisslinien und Kugelformen in poppigen Farben, das Ganze versehen mit epigrammatischen Bildunterschriften. Marosch M. Schröder betreibt eine Renaissance der Emblematik, indem er die über 500 Jahre alte und vor allem im Barock populäre Kunstform den Bedingungen des Computerzeitalters unterwirft. Was einst Holzschnitttechnik und Kupferstecherei leisteten, erledigen heute Zeichenprogramme. Die Kombination von Computertechnik und Emblematik - und hier spiegelt sich auch eine gewisse Trauer über den Verlust bestimmter künstlerischer Techniken und Genres - wird bei Schröder zugleich thematisch. Steht der Computer als Signum für unser Zeitalter der universal vernetzten Vereinsamung, so ist das Emblem schon allein aufgrund seiner Form, dem wechselseitigen Bezug der beiden Medien Bild und Text, eine Aufforderung zum Dialog. Zusammen genommen liefern sie das Leitmotiv der „Globalen Embleme", die Schwundstufen und Sehnsuchtsformen der zeitgenössischen Kommunikation veranschaulichen.

Gelegentlich stellen sich bei Schröders Arbeiten Assoziationen zu historischen Personen und literarischen Werken ein. So mag man bei der Zeichnung zu „Undeutlich wie er dachte, schrieb er auch, das hieß aber nicht, dass die Dinge, über die er nachdachte, klarer zu fassen gewesen wären" an James Joyce und die vielfältigen Bezugsnetze seiner Werke denken; eine andere Arbeit scheint anzuspielen auf Kafkas auf die Initiale geschrumpfte Figur K. Ähnlich wie bei Kafka ist der Handlungsträger, auf den Schröders Arbeiten zielen, keine bestimmte Person, sondern ein Allgemeinsubjekt. Obwohl programmatisch maskulin, spricht sich Schröder ebenso entschieden gegen eine Geschlechtsbestimmung aus („Nachdem geklärt war, dass mit Ihm und Er nicht zwangsläufig ein Mann, schon gar nicht ein Bestimmter gemeint sei, war endlich Verständigung möglich geworden") wie gegen eine autobiographische Lesart („Als der Autor nach der jüngsten Geschichte wieder gefragt wurde, ob sie autobiographisch sei, sah er sich gezwungen, als nächstes eine Käfergeschichte zu schreiben"). Bei den Arbeiten handelt es sich um Erzählsplitter eines zeitgenössischen, von Ernüchterung und Zerrissenheit geprägten Individuums. Übergeordnete haltgebende Systeme und Meta-Erzählungen scheinen ihre Glaubwürdigkeit eingebüßt zu haben. Zwar sind auch hie und da zuversichtliche Töne zu notieren, grundsätzlich aber geht es um Mosaikbausteine eines verunsicherten und fragenden Subjekts im Informationszeitalter. Dies verdeutlichen auch die Arbeiten, die sich mit der Interaktion zwischen Ich und Welt auseinandersetzen. Wegen der „Undurchlässigkeit der Wirklichkeit" ist das Individuum einer Monade gleich auf sich selbst verwiesen. Es bemüht sich um den Austausch mit anderen Menschen, Sphären und Systemen und bevor es anfängt zu verzweifeln, spannt es „Membrane über die Schwermut".

Für Marosch M. Schröder ist die Kugel das morphologische Leitbild unserer Zeit. Einerseits steht sie für das große Ganze der Globalisierung, andererseits für die als Blasen zu visualisierenden Nah- und Selbstverhältnisse, die uns schützend umgeben (wie Liebe und Freundschaft oder Glaube und persönliche Überzeugungen). Man muss nicht an die Sphärologie des Philosophen Peter Sloterdijk denken, um Schröders „Globale Embleme" auf die These zu bringen: Wir sind - glücklicherweise - nie mit uns allein. Bereits pränatal erfahren wir durch die Fruchtblase Schutz, später durch die Vorstellungs- und Denkblasen, die stets auf Kommunikation und Verständnis mit Anderen aus sind. So entwirft Schröder beispielsweise mit wenigen Strichen einen gedankenversunkenen Leser, der selig hinter seinem Buch sitzt. Kugeln verschiedener Größe und Farbe umschwirren sein Haupt, die Erweiterung des Horizonts ebenso andeutend wie das innere Gespräch, das nach einem realen Partner sucht. Die Subscriptio lautet: Immer wenn geistige Nahrung in sein Gefängnis gereicht wurde, erschien ihm die Welt einen Hauch lichter. 

Oft bezeichnet man Marken-Logos als globale Embleme. Während das Versprechen von Marken darauf darin besteht, dass sich die Käufer durch das Produkt positiv von anderen abheben, also Individualisierungsgewinne erzielen, so folgt aus der universalen Verbreitung der Marken das Gegenteil, nämlich eine Uniformierung der Welt. Schröders „Globale Embleme" gehen genau umgekehrt vor. Sie präsentieren vermeintlich typische Szenen, um auszuloten, welche Handlungsspielräume dem Individuum in einem Zeitalter allumfassender Vernetzung noch bleiben.

Copyright: Michael Ostheimer